Petra-Alexandra Lessmann gibt einen Workshop für Menschen mit geistiger Behinderung – „Spaß an der Musik“
Sinsheim. Jonas ist voll motiviert. Noch während der Pause steht er im Tanzsaal des TSC Rot-Gold und übt die Schritte, die die Gruppe zuvor mit Trainerin „Piti“ Lessmann, wie sie selbst genannt werden will, eingeübt hat. Schritt nach vorne, tip, Schritt nach hinten, tip. Kon-zentriert und mit der gebührenden Portion Ernst wiederholt Jonas einige Zeit die Tanzschritte. Dann hört er abrupt auf, geht energisch auf die Fenster zu, die den Pausenraum vom Trainingssaal trennen. Er klopft an eine der Scheiben und ruft den anderen mit Nachdruck zu, dass sie endlich kommen sollen.

Jonas ist einer von acht Menschen mit geistiger Behinderung, die an dem Workshop von Lessmann teilnehmen. An zwei Sonntagen üben sie unterschiedliche Tänze ein, wie zum Beispiel Line Dance oder Discofox, die sie dann auch vorführen. Bereits zum dritten Mal bietet Lessmann, die selbst Deutsche Vizemeisterin ist, diesen Workshop an. Sie wollte schon immer einmal Kurse für Menschen mit geistiger Behinderung anbieten, erzählt die Waibstadterin. Daher hat sie Kontakt zur Lebenshilfe Sinsheim geknüpft.

Mittlerweile haben sich alle Teilnehmer im Saal versammelt und hintereinander aufgestellt. Lessmann macht die Musik an, stellt sich an die Spitze des Zugs und läuft mit geradem Rücken und festen Schritten in den Raum. Die anderen folgen ihr. Julian, ein junger Mann von 21 Jahren, ist so begeistert, dass er seine Arme voller Inbrunst in die Luft wirft. Sein Körperbewegt sich derweil zum Takt der Musik. Er klatscht in die Hände, dreht sich ein paarmal mehr als vorgesehen, macht seine Bewegungen besonders groß und geht in der Musik auf. Man sieht ihm an, wie sehr er das hier alles liebt. Jonas kümmert sich derweil liebevoll und mit einer bemerkenswerten Gelassenheit um seinen Freund. Nimmt ihn an die Hand, läuft mit ihm an die Stelle, an der er stehen soll, schaut immer wieder, ob er helfen kann.

„Julian, wir wollen den Leuten nicht auf die Pelle rücken“, erklärt Lessmann mit Blick auf die Aufführung und schiebt nicht nur ihn ein Stück nach hinten. Jonas kümmert sich derweil immer noch um seinen Freund, der genau wie er Trisomie 21 hat, aber ein bisschen länger braucht, die Schritte zu verstehen. Jonas dagegen ist beinahe perfekt synchron mit Lessmann, die mittanzt und dabei Anweisungen an die Gruppe gibt. Die anderen setzen diese um.
Alle bis auf Simon. Er interessiert sich weniger für das Tanzen, dafür aber umso mehr für die Musikanlage. Immer wieder läuft er durch den ganzen Raum, stellt sich fasziniert in größerem Abstand davor und schaut diese mit fast hypnotisierendem Blick an. Dabei lächelt er permanent, sodass seine Grübchen zum Vorschein kommen. Er wirkt zufrieden, völlig in sich ruhend und in seiner eigenen Welt. Ganz langsam setzt er sich in Bewegung, hebt schon ein wenig seinen Arm in Richtung der Knöpfe der Anlage. Plötzlich ertönt ein „Simon, nein“. Also wendet er sich wieder von der Anlage ab und läuft weiter durch den Saal.
Inzwischen tönt Hugel mit „WTF“, ein Lied, das dieses Jahr lange Zeit in den Charts war, aus den Boxen. Beim Refrain singt Julian mit. So gut tanzen könne er, weil er regelmäßig mit der Lebenshilfe nach Wiesloch in die Disco gehe, erzählt der junge Mann mit dem gestreiften Pullover. „Weil’s Spaß macht“, sei er hier, und weil er mit seiner Freundin tanzen kann. Derweil ermahnt Jonas seinen Kumpel, dass dieser jetzt doch auch mal hüpfen soll, was er dann auch macht. Simon läuft zur gleichen Zeit laut summend durch den Raum. Seine Bassstimme ist fast so laut wie die Musik. Vor der Anlage bleibt er wieder kurz stehen, bevor er mit leicht zur Seite gelegtem Kopf an der großen Spiegelwand entlangwandert und sich vollkommen zufrieden betrachtet. Die anderen haben mittlerweile Stäbe in den Händen. Jonas ist immer noch konzentriert bei der Sache. Ihm mache es Spaß, etwas zu lernen, erklärt der 19-Jährige. Für ihn ist es das erste Mal, dass er einen Auftritt hat. Da sei er schon ein wenig aufgeregt. Aber eigentlich ist er hier, „weil mir Tanzen sehr gut gefällt.“ Auch für Lessmann ist das ein ausschlaggebender Punkt. „Die haben so viel Freude durch die Musik“, erzählt die gelernte Physiotherapeutin. Es mache einfach Spaß, das zu sehen. (RNZ)

Die acht Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Betreuer hatten viel Spaß beim Workshop mit „Piti“ Lessmann. Neben Discofox haben sie zum Beispiel auch Line Dance gelernt. Diesen Sonntag geht der Kurs weiter. Foto: Anjoulih Pawelka